Tsavorit

Tsavorit-Granat

Der leuchtend grüne Tsavorit ist ein vergleichsweise junger Edelstein mit einer sehr langen geologischen Entstehungsgeschichte. Seine Heimat ist das ostafrikanische Buschland entlang der Grenze zwischen Kenia und Tansania. Die wenigen Minen liegen in einer einmalig schönen dürren Graslandschaft mit kahlen, trockenen Hügeln. Es ist eine gefährlich Umgebung: Lebensraum von giftigen Schlangen, hin und wieder sieht man einen Löwen auf der Suche nach Beute. Aber hier, in der Nähe des weltberühmten Tsavo National Parks, begann die Geschichte des Tsavorit.

Im Jahr 1967 suchte ein britischer Geologe namens Campbell R. Bridges in den Bergen im Nordosten von Tansania nach Edelsteinen. Plötzlich stieß er auf einige seltsame kartoffelartige Gesteinsknollen. Es war wie im Märchen: Innerhalb dieser seltsamen Objekte fand er einige schöne grüne Körner und Kristallfragmente. Eine gemmologische Untersuchung ergab, dass er grüne Grossulare entdeckt hatte, ein Mineral das zur bunten Edelsteingruppe der Granate gehört und bis zu diesem Zeitpunkt nur sehr selten gefunden wurde. Die Steine hatten eine außergewöhnlich schöne Farbe und gute Transparenz. Der Fund ließ die Spezialisten aufhorchen; Tiffany zeigte schnell Interesse an dem neu entdeckten grünen Juwel. Trotz aller Bemühungen war es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht möglich, die Steine aus Tansania zu exportieren. Aber Campbell R. Bridges gab nicht so schnell auf. Als Geologe wusste er, dass edelsteintragende Erdschichten nicht notwendigerweise auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt sind, sondern sich oft über viel größere Bereiche erstrecken. Der Gesteinsgürtel auf dem die meisten ostafrikanischen Edelsteinminen liegen ist sehr alt. Er fing schon vor vielen Millionen Jahren an sich zu bilden, in einer Zeit in der sich die Kontinente noch sehr viel bewegten. Zu dieser Zeit lag das betreffende Gebiet tatsächlich noch unter Wasser. Die Sedimentablagerungen zwischen den Kontinenten waren stark komprimiert und wurden durch die Bewegung der Erdmassen gestaucht und gefaltet. Durch den enormen Druck und die hohen Temperaturen wurden die ursprünglichen Gesteine umgewandelt. Es entstanden spannende und schöne Edelsteine – unter ihnen auch der Tsavorit. Allerdings beschädigten die gewaltigen Kräfte der Natur die meisten der Kristalle so sehr, dass heute in der Regel nur Körner oder Bruchstücke gefunden werden.

Campbell R. Bridges blieb hartnäckig. Seine Vermutung, dass sich die Edelsteinader möglicherweise bis nach Kenia erstrecken könnte erwies sich als richtig. Im Jahr 1971 entdeckte er die leuchtend grünen Edelstein zum zweiten Mal, diesmal in Kenia. Dort war er in der Lage, die Funde offiziell zu registrieren und mit dem Abbau der Vorkommen zu beginnen. Es war ein abenteuerliches Unternehmen. Zum Schutz vor wilden Tieren lebte Bridges in einem Baumhaus. Damit ihn seine Arbeiter nicht bestahlen nutzte er wiederum ihre Angst vor Schlangen und ließ seine Steine von einer Python bewachen. Der Fund war aber wunderbar. Die bis dahin nur Spezialisten bekannten Edelsteine wurden 1974 durch eine Tiffany-Werbekampagne in den ganzen USA bekannt. Bald darauf folgten Kampagnen in anderen Ländern, weshalb der Tsavorit auch international immer bekannter wurde.

Grün wie ein Granat …

Aber warum heißt der Stein Tsavorit oder Tsavolith wenn es sich doch eigentlich um einen grünen Grossular aus der bunten Edelsteinfamilie der Granate handelt? Die Namensgebung von Edelsteinen folgt bestimmten Regeln. Nach den modernen mineralogischen Bennenungsverfahren erhalten Edelsteine einen auf „it“ endenden Namen. Zu Ehren des artenreichen Tsavo National Parks und des Tsavo Rivers schlug der ehemalige Tiffany-Präsident Henry Platt, der die Entwicklungen rund um diesen Edelstein von Anfang an verfolgt hatte, den Namen „Tsavorit“ vor. Manchmal wird auch der Begriff „Tsavolith“ verwendet. Beide Namen bezeichnen jedoch den gleiche Stein, bei der letzteren Version handelt es sich einfach um den Namen mit der griechischen Endung „-lite“ (Stein).

Was macht den Tsavorit so begehrenswert? Nun, einerseits ist es sein lebendig strahlendes Grün. Die Farbpalette des Tsavorit umfasst ein frühlingshelles Grün, ein intensives Blaugrün und ein tiefes Waldgrün – also Farben, die eine erfrischende und belebende Wirkung auf die Sinne haben. Allerdings ist dieser Edelstein auch wegen seiner hohen Brillanz so wertvoll. Er hat, wie alle anderen Granate auch, ein besonders hohen Lichtbrechungsindex (1,734 / 44). Nicht ohne Grund heißt es in den alten Sagen, dass ein Granat sehr schwierig zu verbergen sei. Seine funkelndes Licht, so sagt man, bleibt sogar durch Kleidung hindurch sichtbar.

Im Gegensatz zu vielen anderen Edelsteinen wird der Tsavorit weder gebrannt noch geölt. Eine solche Behandlung hat der Stein einfach nicht nötig. Wie alle anderen Granate ist er ein Stück pure, unverfälschte Natur. Eine weitere positive Eigenschaft ist seine Robustheit. Er hat fast die gleiche Härte wie der (deutlich teurere) Smaragd – etwa 7,5 auf der Mohs Skala – und ist deutlich weniger empfindlich als andere Edelsteine. Diese wichtige Eigenschaft ist nicht nur beim Fassen, sondern auch beim Tragen relevant. Ein Tsavorit bricht oder splittert bei einer unvorsichtigen Bewegung seltener als andere Steine. Er eignet sich gut für die beliebte Fassvariante des „invisible setting“ bei der die Steine direkt nebeneinander gefasst werden, eine Technik die für die viel empfindlicheren Smaragde nicht geeignet ist. Dank seiner hohen Brillanz kann man bei einem Tsavorit ebenso von einem großem Klassiker sprechen wie bei Diamanten, Rubinen und Saphiren.

Nur in sehr seltenen Einzelfällen wird ein Rohkristall von über 5 Karat gefunden. Daher ist ein geschliffener Tsavorit mit mehr als zwei Karat eine seltene Kostbarkeit. Das Besondere dieses Edelsteins ist aber, dass er seine große Leuchtkraft auch in kleineren Größen zeigt.

Dieser junge Edelstein mit seiner langen Geschichte ist etwas besonderes. Durch sein frisches, lebendiges Grün, seine guten Trageeigenschaften, seiner hohen Brillanz und dem relativ günstigen Preis ist er sicherlich einer der überzeugendsten und ehrlichsten Edelsteine der Welt.